Expertenrunde: Auch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit hat Grenzen
Wiener Handelschef Trefelik fordert bessere Berücksichtigung des Grundrechts auf Erwerbsfreiheit durch verfassungskonforme gesetzliche Regelung
Wien (OTS) -
Die Versammlungsfreiheit ist ein wichtiges und sensibles Grundrecht, das aber dort Grenzen hat, wo andere Grundrechte oder Rechte Dritter verletzt werden. Das machte der Verfassungsjurist Christian Piska im Rahmen der Diskussion zum Thema „Demos vs. Mobilität“ deutlich, zu der der ÖAMTC gemeinsam mit der Uni Wien und der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Wien am 28. März ins Wiener Juridicum lud.
Für Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Wien, stand dabei die Abwägung gegenüber dem ebenfalls in der Verfassung garantierten Grundrecht auf Erwerbsfreiheit im Mittelpunkt. „Allein 2018 haben wir 89 Sperren von Einkaufsstraßen und wichtigen innerstädtischen Verkehrsverbindungen verzeichnet, meist an für den Handel besonders wichtigen Donnerstagen, Freitagen oder Samstagen. Die ständigen Behinderungen und Beeinträchtigungen bringen die kleinen und kleineren Betriebe an den Rand der Existenz und bedrohen hunderte Arbeitsplätze.“ „Meine Tochter“, berichtete eine betroffene Unternehmerin, „hat unseren Familienbetrieb mit viel Elan übernommen. Aber mittlerweile ist sie nur noch frustriert und weiß zum Teil nicht, wie sie die Mitarbeiter bezahlen soll.“
Dabei sei auch den Unternehmen bewusst, dass die Versammlungsfreiheit ein wichtiges und schützenswertes Grundrecht sei, betonte Trefelik. „Wir haben größtes Verständnis dafür, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen öffentlich und sichtbar artikulieren wollen. Es ist aber die hohe Zahl der Demonstrationen, die nicht zu bewältigen ist.“
Die Probleme der Betriebe sprach auch der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl an. In der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes werde die Versammlungsfreiheit nicht grundsätzlich höher bewertet als die Erwerbsfreiheit. Die Behörde müsse die unterschiedlichen Interessen aber immer im Einzelfall abwägen, und es mache ja keine einzelne Versammlung den Unternehmen Schwierigkeiten, sondern es gehe um die Auswirkungen der Versammlungen in Summe. Allerdings, so die rechtliche Beurteilung, könne der Gesetzgeber das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit im Einklang mit der Verfassung so ausgestalten, dass eine bessere Interessenabwägung möglich wäre.
„Ich fordere die Politik auf, den verfassungsrechtlichen Spielraum zu nutzen und einen fundierten Diskussionsprozess zu starten“, resümiert Handelschef Trefelik die intensive Diskussion. „Ziel muss eine gesetzliche Lösung sein, die das Grundrecht der Erwerbsfreiheit in der Interessenabwägung verfassungskonform berücksichtigt, ohne die Versammlungsfreiheit übermäßig einzuschränken.“
Einig war man sich auf dem Podium, dass eine Lösung des Problems jedenfalls nur im Miteinander und in einem breit getragenen Dialog auf Augenhöhe möglich ist. Im Sinne der bestmöglichen gegenseitigen Rücksichtnahme appelliert die Wirtschaftskammer weiter an Veranstalter, Demos an alternativen Orten abzuhalten, wo mit weniger Verkehrsbelastungen und geringerem Schaden für den Handel zu rechnen ist. „Auch am Schwarzenbergplatz ist man öffentlich gut sichtbar“, so Trefelik, „und unser Angebot, mit Veranstaltungstechnik zu unterstützen, bleibt aufrecht.“
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