Am 7.6.2019 veranstaltete Prof. Piska ein Symposium zum Thema „Richterliche Unabhängigkeit, kollegiale Selbstverwaltung und feste Geschäftsverteilung“. Hintergrund war der Umstand, dass sowohl angesichts rezenter Judikatur als auch angesichts Teil eingeschliffener Praxis verschiedener Gerichte nach wie vor Diskussionsbedarf im Hinblick auf die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Prinzips der festen Geschäftsverteilung diagnostiziert werden muss - va im Hinblick auf die Verhinderung jedweder potentiellen Einflussnahmen auf die Judikatur durch Auswahl bestimmter Richter im Einzelfall.
Mag. Harald Wagner, Vizepräsident der Richtervereinigung machte den Auftakt mit seinen Überlegungen zur richterlichen Unabhängigkeit, auch im Hinblick auf Besetzungsvorschläge und die Rolle der Personalsenate in diesem wichtigen Aufgabenbereich. Gleichermaßen praxisnah war der Vortrag von Mag. Gerhard Nogratnig, Leiter der Abteilung III 5 im BMVRDJ, naturgemäß jedoch war die Perspektive eine etwas differente, da das Ministerium seinen Fokus stärker auf das Funktionieren des Gerichtssystems als Ganzes legt als dies ein Personalsenat eines bestimmten Gerichtes tun kann. Der Vortrag gab auch einen Einblick in die Spruchpraxis der Personalsenate und die Ernennungspraxis des BM.
Prof. Piska legte die zentralen Grundsätze des Prinzips der festen Geschäftsverteilung dar und betonte insbesondere, dass auch die unabhängigen Personalsenate diese Grundsätze strikt einzuhalten hätten und man sich nicht in das Argument flüchten dürfe, da es sich um unabhängige Organe handle, müsse bloß sichergestellt werden, dass es nicht zu einem Missbrauch komme. Dieser Nachweis kann nämlich bei Einzelfallbeurteilung niemals mit absoluter Sicherheit erbracht werden. Darüber hinaus hob Prof. Piska hervor, dass die Anfechtbarkeit von Fehlern bei der Zuteilung von Fällen im Zivilverfahren verfassungsrechtlich höchst bedenklich sei, da die Präklusion dieser Nichtigkeitseinrede durch § 260 Abs 2 ZPO viel zu früh angeordnet sei.
Prof. Lewisch setzte sich in seinem Vortrag mit der festen Geschäftsverteilung und der Anfechtbarkeit im Strafverfahren auseinander. Dabei stand der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 1 StPO im Mittelpunkt. Auch die Geschäftsverteilung im Zusammenhang mit Laienrichter und der Staatsanwaltschaft wurde näher beleuchtet. Im Anschluss folgten die Ausführungen von Prof. Kodek zur festen Geschäftsverteilung und Anfechtbarkeit im Zivilverfahren. Er beschäftigte sich mit erfassten Fehlern sowie mit der Wahrnehmung und Heilung. Auch das Rotationsprinzip, überbesetzte Senate, der Verstoß gegen §§ 26, 32 GOG (Familienrecht) und die Konzentration aller Insolvenzsachen (§ 265 IO) waren Thema. Abschließend setzte sich Prof. Kodek mit Rechtsmittelbeschränkungen im Zivilverfahren auseinander und kam zum Ergebnis, dass Rechtsmittel wohl vielfach ausgeschlossen sind. Zudem teilte Prof. Kodek die Ansicht von Prof. Piska von der Verfassungswidrigkeit des § 260 Abs 2 ZPO nicht.
In der anschließenden Diskussion kamen zahlreiche Aspekte zur Sprache, nicht zuletzt auch aufgrund reger Beteiligung des Publikums. Natürlich stand auch die Frage der Verfassungswidrigkeit des § 260 Abs 2 ZPO im Mittelpunkt. Mag. Wagner äußerte Bedenken zum (Aktenverteilsystem) AVS des BMJ, das die Geschäftsverteilung elektronisch vornimmt, weil der von der IT verwendete Algorithmus in der GV nicht festgelegt ist. Prof. Piska unterstützte – wie auch Prof. Kodek – diese Sicht und schlug ein zweistufiges Modell zur Behebung des Spannungsverhältnisses der Praxis mit dem Prinzip der festen GV vor, nämlich erstens Festlegung des Zuteilungsalgorithmus in der GV, damit die Zuständigkeit des Personalsenats nicht an das programmierende IT Unternehmen delegiert wird. Als zweiten Baustein für eine Geschäftsverteilung 4.0 forderte Prof. Piska den Einsatz der Blockchaintechnologie für das AVS, um durch deren Unveränderlichkeit, Transparenz und Dezentralität – anders als bisher – sicherzustellen, dass Fehler im Zuteilungsvorgang jederzeit im Nachhinein einfach und zielsicher festgestellt und dann rechtzeitig im Verfahren geltend gemacht werden können.