Cyberstaat und Grundrechte

04.04.2019

inkl. Video im Beitrag

 

 

Die dritte Veranstaltung unseres Think Tank technologylegal.buliding the future brachte die volle Bandbreite unterschiedlicher Sichtweisen zu Datenschutz und staatlicher Abwehrmaßnahmen im Cyberbereich drastisch zu Tage. Hochkarätige einschlägige Repräsentanten des BMI umrissen die – ebenfalls ambivalente - Sicht der Vollziehung: Während Erhard Friessnik, Leiter des Cyber Competence Center des BMI Defizite des Rechtsrahmens staatlicher Ermittlungsmaßnahmen darstellte, der  aus verschiedenen Gründen oft keinen adäquaten Zugriff auf Straftäter und staatsgefährdende Individuen zulässt, hob Marcus Hild, Datenschutzbeauftragter des BMI vorwiegend die positiven Errungenschaften der DSGVO hervor. Aviya Arika, Anwältin aus Tel Aviv und Spezialistin für disruptive Technologien machte deutlich, dass in Zeiten massiver terroristischer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit harte Maßnahmen zur Eindämmung der Gefahren als grundrechtskonform anzusehen seien. Sie zog die Situation und die Rechtslage in Israel als Beispiel heran. Prof Piska stimmte dem zu, nahm jedoch einen differenzierenden Standpunkt ein: Die europäische Grundrechtsordnung hat nach seinem Ansatz einen eingebauten Abwehrmechanismus, der Grundrechtseinschränkungen zur Gefahrenabwehr zulässt. Geht es um den Weiterbestand des Systems und sind staatliche Kernfunktionen wie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und des demokratischen Systems oder ist die demokratisch fundierte europäische liberale Werteordnung in Gefahr, sind auch massive Grundrechtseinschränkungen für gefährdende Personen/Personengruppen verfassungsrechtlich bzw grundrechtsdogmatisch gedeckt. Was Staaten jedoch aufgrund der Ausrichtung unseres liberalen Staatssystems verwehrt bleibt, ist eine flächendeckende Überwachung des Durchschnittsbürgers in allen Bezügen des Alltags, die durch den Digitalisierungsprozess auch jetzt schon ansatzweise möglich wäre. Die europäische und österreichische liberale Grundordnung setzt voraus, dass – außerhalb der Garantie staatlicher Kernfunktionen – dem einzelnen Bürger die prinzipielle Entscheidung zwischen Recht und Unrecht zustehen muss, solange es um alltägliche Verstöße oder Gefahren geht. Das heißt, dem Bürger muss es zustehen sich für rechtmäßiges Handeln zu entscheiden, aber auch den Weg des Unrechts zu nehmen und eine Strafe zu riskieren. Dem Bürger diese Entscheidungshoheit durch Mittel der digitalen Überwachung und Lenkung zu nehmen, bedeutete eine Abkehr vom liberalen Grundprinzip hin zu einem totalitären System.