ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian M. Piska

Drittantritte - wie mache ich es richtig?

 

Ursachenforschung

Bevor man einen Drittantritt in Erwägung zieht, muss man herausfinden, warum es vorher zweimal nicht geklappt hat. Kopf-in-den-Sand-Politik ist nicht gefragt. Daher intensiv Ursachenforschung betreiben und selbstkritisch prüfen, was falsch gelaufen ist. Dem Prüfer allein die Schuld zu geben, hilft da selten weiter.

Hauptursachen sind: Zu wenig oder zu wenig aktiv gelernt, nicht verständnisorientiert gelernt, zu wenig die Falllösungstechnik geübt, Repetitorium nicht besucht oder zu wenig aktiv dabei gewesen, bei der Prüfung verzettelt.


Streben nach Perfektion ist der Anfang vom Ende

Womit wir beim nächsten und wichtigsten strategischen Punkt wären: Es ist ein Fehler in der Prüfungssituation bei der Falllösung nach Perfektion zu streben oder Angst zu haben, etwas Falsches hinzuschreiben, was den Prüfer entsetzen könnte. Minuspunkte werden selten verteilt. Die richtige Taktik, mit der man erfolgreich ist, sieht so aus:


Die Prüfung gleich eingangs komplett sichten

Gleich zu Beginn die Angabe komplett durchlesen und erfassen, worum es in dem Fall geht. So kann man auch checken, ob einem bestimmte Bereiche besser liegen als andere. Das verhindert, dass z.B. Fall 2 aus Zeitmangel vernachlässigt werden muss, obwohl man hier massiv Punkte hätte sammeln können. Der Strategiefehler, sich in die ersten Fragen zu verbeißen, perfekt sein zu wollen und dadurch zu wenig Zeit für den Rest zu haben, ist einer der Hauptgründe für Fünfer.


Gezielt und zeiteffizient arbeiten

Wenn man den Fall überblickt, zügig und gezielt mit der Lösung beginnen. Dabei das Schwergewicht auf die Fragen legen, die einem liegen und zu denen einem viel einfällt.

Achtung: Keine Wissensausbreitungen platzieren, die nicht gefragt sind. Prägnant und zielgerichtet formulieren und – ganz wichtig – Begründung nicht vergessen. Stellen sich Interpretationsprobleme, keine Angst vor eigenen Argumentationen haben. Es geht nicht so sehr um die „Richtigkeit" einer Lösung. Die ist oft sowieso sehr relativ. Es geht um die Vertretbarkeit. Hin und wieder Stichworte zu verwenden, ist kein Problem. Wenn die Lösung passt, wird das Ergebnis positiv sein – Stichworte oder Grammatikfehler hin oder her. Schöne Formulierungen, die euch oft viel wertvolle Zeit kosten könnten, werden nie fehlende Inhalte aufwiegen können. Ziel ist, in so kurzer Zeit wie möglich so viele Punkte wie möglich zu sammeln. Allein darum geht es.


Auf Systematik achten   

Es ist eine gute Idee, bei Übersichtsfragen (z.B. „Wie ist die Rechtslage?" „Bringen Sie alle denkbaren Argumente gegen den gegenständlichen Bescheid vor!" oder „Verfassen Sie das entsprechende Rechtsmittel") verschiedene Argumente voneinander etwa durch Aufzählungspunkte zu trennen. Völlig wirre oder konfuse Arbeiten sind kein guter Weg, um Punkte zu sammeln.


Rechtsmittel sind immer dabei

Ist ein Rechtsmittel zu verfassen, und das wird praktisch immer der Fall sein, das Hauptgewicht auf die inhaltlichen Argumente und die Nennung der formalen Requirements legen. Keine wertvolle Zeit mit einer langwierigen Darstellung des Sachverhalts verlieren – das bringt idR kaum oder keine Punkte.


Mut zur Lücke

Es ist eine erstaunliche Erkenntnis, aber sie stimmt und wurde von mir anhand von etlichen Kolleginnen und Kollegen empirisch ermittelt: Der Hang zur Perfektion bei der Lösung schriftlicher Prüfungsarbeiten führt zum Durchfallen. Warum? Ewiges Nachdenken und der Wunsch eine möglichst vollständige Antwort zu geben, verursachen viel zu viel Zeitaufwand. Strategisch ideal ist es, prägnante und kurz gehaltene (aber natürlich begründete) Antworten zu geben. Fragen, zu denen einem nichts oder sehr wenig einfällt, einfach nach kurzer Überlegung überspringen und ein wenig Platz dafür freilassen. Mit dieser Taktik wird man die Arbeit einmal durchhaben, lange bevor die Zeit um ist. So ist sichergestellt, dass ihr alles, was ihr wisst, auch darstellen konntet und keine „leichten" Fragen fallen wegen Zeitmangel unter den Tisch. Nach dem ersten Durchgang hat man noch Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen und Lücken zu schließen. Vielleicht kommt man ja auch nach der Lösung des gesamten Falles leichter auf Dinge drauf, die einem vorher nicht eingefallen sind.

Ganz generell: Mangelnde Perfektion oder eine gewisse Unvollständigkeit der Antworten führen selten zum Durchfallen. Meistens sind dafür wegen schlechten Zeitmanagements ausgelassene Fragen verantwortlich, „die ich natürlich eh gewusst hätte, aber es war leider keine Zeit mehr um das hinzuschreiben." Das liegt meistens daran, dass ihr bei anderen Fragen viel zu ausführlich wart.


Homogener Eindruck zählt

Gerade bei Drittantritten ist auch ein homogenes Gesamtbild von Bedeutung. Fehlen ganze Teile des Falles, weil man am Ende zu wenig Zeit hatte, sind dem Prüfer die Hände gebunden, wenn zu wenige Punkte erzielt wurden. Ein durchgängig gelöster Fall, der quasi an der Mindestpunkteanzahl kratzt, und bloß einige Schnitzer enthält, aber ein brauchbares Gesamtbild abgibt, kann unter Umständen hingegen noch knapp positiv beurteilt werden.

Alle Anfragen zu Drittantritten sind bitte ausschließlich an meine Office Adresse office.piska.staatsrecht@univie.ac.at zu richten!